Hallo, mein Name ist Heiko. Ich wohne in Oldenburg (bei Bremen), bin 56 Jahre alt und seit 33 Jahren mit dem HI- Virus infiziert. Ich habe ein abgeschlossenes Studium zum Diplom- Ingenieur für Maschinenbau. Seit dem Ausbruch der Erkrankung 1997 arbeite ich nur unregelmäßig, immer, wenn es mein Gesundheitszustand zulässt. Ich wohne mit meiner Lebenspartnerin in einem kleinen Haus und kümmere mich um den Haushalt, den Garten und unseren Hund. In den Wintermonaten schreibe ich an meiner Lebensgeschichte und hoffe, diese zum Ende des Jahres soweit fertig zu bekommen, damit sie veröffentlicht werden kann.
Seit 1983 bin ich HIV pos. Ich habe mich bei meiner damaligen Lebensgefährtin unwissentlich infiziert. Sie wiederum wurde 1981 durch kontaminierte Blutkonserven, die sie nach einem schweren Verkehrsunfall bei einer der zahlreichen Operationen bekam, infiziert.
1985 verschlechterte sich der Gesundheitszustand meiner Lebensgefährtin zusehends. Sie lag nun häufig im Krankenhaus, Folgeerscheinungen der noch nicht erkannten HIV- Infektion. Im Januar 1987 haben wir beide von unserer Infizierung durch das HI- Virus und dem oben geschilderten Infizierungshintergrund von der Medizinischen Hochschule Hannover erfahren. Bis zu ihrem Tod im April 1989 habe ich sie in unserer gemeinsamen Wohnung gepflegt und betreut.
1992 habe ich mein Studium abgeschlossen und begann direkt im Anschluss daran meine berufliche Karriere bei einem großen Unternehmen als Projektingenieur. 1995 bin ich in die Geschäftsleitung eines mittelständischen Unternehmens gewechselt. Ich lebte in einer sozial gesicherten Lebenssituation, mit meiner Partnerin und unserer Tochter. Auch finanziell brauchte ich mir keine Gedanken machen, denn ich verfügte über ein hohes Einkommen.
Ende 1997 kam es dann zum Ausbruch meiner Erkrankung, mit allen typischen Krankheitsbildern. Ich begann mit der Einnahme der Medikamente gegen die HIV- Infektion. Aber diese Tabletten, mit ihren vielen Nebenwirkungen, führten zu einer weiteren Verschlechterung meiner Lebenssituation. Da mein krankheitsbedingtes, häufiges und langes Fehlen im Unternehmen zu großen Problemen führte, bin ich dort Ende 1998 ausgeschieden.
Seit diesem Zeitpunkt konnte ich keine regelmäßige Tätigkeit mehr ausüben. Dadurch kam es bei mir, neben dem sich immer mehr verschlechternden Gesundheitszustand, zu großen finanziellen Engpässen. Denn bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich erst einige Jahre arbeiten können und bekomme folglich nur eine geringe Rente wegen voller Erwerbsminderung. Das Abschließen einer Berufsunfähigkeitsversicherung, wie normalerweise üblich zu Beginn der beruflichen Tätigkeit, war nicht möglich, weil die HIV- Infektion bei allen Versicherungen zu einer Ablehnung meiner Anfrage führte. Desgleichen war auch keine Kreditaufnahme zum Kauf einer Wohnung oder eines Hauses möglich.
Seit meinem Ausscheiden aus dem beruflichen Leben finanziere ich meinen Lebensunterhalt aus der Rente und den monatlichen Zahlungen des Fonds „Humanitäre Soforthilfe“. Neben den normalen Kosten, wie Miete, Nahrungsmittel, Kleidung usw. habe ich aufgrund meiner Erkrankung Mehrkosten, wie Zuzahlungen zu den Medikamenten, Kosten für zuzahlungsfreie Medikamente. Desweiteren bin ich bemüht, meinen Gesundheitszustand durch hochwertige Lebensmittel und viel Sport zu verbessern, bzw. stabil zu halten. Auch dieses hat Mehrkosten zur Folge.
Durch die verbesserte Wirksamkeit der HIV- Medikamente und dem oben beschriebenen Lebensstil hat sich mein Gesundheitszustand in den letzten 10 - 12 Jahren zusehends stabilisiert. Neben dieser sehr erfreulichen Tendenz ergeben sich aber daraus auch neue Probleme und Aufgabenstellungen. Wie bestreite ich zukünftig meinen Lebensunterhalt? Wie betreibe ich in meiner derzeitigen Lebenssituation – an der ich keinerlei Verschulden habe – Altersabsicherung?
Bei verschiedenen Anfragen an Unternehmen und Recherchen bei staatlichen und karitativen Institutionen, wie Arbeitsamt, BFA, Gesundheitsamt, HIV- Beratungen usw. musste ich feststellen, dass sich das Zurückkehren in den beruflichen Arbeitsablauf als schwierig darstellt.
Darüber hinaus raten mir meine behandelnden Ärzte von zusätzlichen und dauerhaften Belastungen, wie sie ein festes Arbeitsverhältnis in meinem Beruf mit sich bringen würde, dringend ab, um nicht meinen derzeitigen Gesundheitszustand zu gefährden. So arbeite ich immer nur für 1 - 2 Monate im Jahr. Aber auch diese befristete Arbeit führte jedes Mal zur Verschlechterung meiner Blutwerte und hat eine erneute Umstellung der Medikamentenzusammenstellung zur Folge.
Zu den oben genannten Schwierigkeiten, die mir diese Erkrankung auferlegt hat, kam vor etwa 12 Jahren noch eine weitere bittere Erfahrung hinzu. Meine damalige Lebensgefährtin wurde bewusst von einem anderen Mann schwanger, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen und um sich und das Ungeborene nicht zu gefährden. Unsere Tochter wurde von mir in Vaterfunktion fast ausschließlich in den ersten 8 Lebensjahren großgezogen, da die Mutter während dieses Zeitraumes in einer anderen Stadt beruflich tätig. 2004 trennten wir uns. Im Streit vor dem Gericht über die Umgangsregelung für mich und meine Tochter wurde mir in der ersten Verhandlung nur eine Übergangslösung zugestanden. Auch in der zweiten Verhandlung, einige Monate später, gab es ein Urteil, welches wenig mit dem damals üblichen Umgangsrecht zu tun hatte. Die Anwälte meiner ehemaligen Lebensgefährtin brachten bei den Gerichtsverhandlungen immer wieder meine Erkrankung, die damit verbundene Ansteckungsgefahr und mein vielleicht baldiges Ableben zur Sprache. Diese für mich unbefriedigenden Umgangsregelungen wurden durch die Interventionen der Mutter (Krankheit des Kindes, Lernen für Klausuren, etc.) soweit ausgehöhlt, dass ich die letzten Jahre keinen Kontakt mehr zu meiner Tochter habe.
Neben der für mich sehr erschütternden Erkenntnis, nach derzeitigem Stand wohl nie mehr meinen Lebensunterhalt ausschließlich mit eigenen Kräften bestreiten zu können und den in den nächsten Jahren zunehmenden finanziellen Engpässen, entwickeln sich bei mir vermehrt Existenzängste.
So wurden, wie hinlänglich bekannt, die Zahlungen in den letzten Jahren den gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht entsprechend angeglichen. Im gleichen Zeitraum erhöhten sich die Kosten der gesetzlichen Sozialleistungen, die meine Rente zusätzlich verringerten. Durch diese Veränderungen wird sich die Sicherung meines Lebensunterhaltes noch mehr als bisher auf die Gelder des Fonds „Humanitäre Soforthilfe“ stützen müssen. Aber auch hier verändert sich die Situation.
Zum Einen durch die durchschnittliche Inflationsrate von 1,4 % p.a. in den letzten 18 Jahren (Ich beziehe Gelder aus dem Fonds seit 1998). Dies hat in diesem Zeitraum bei einer monatl. Auszahlung der Stiftung von 1.533,88,- € zu einem Kaufkraftverlust von etwa 340,- € (22 %) geführt.
Und zum Anderen durch die Konstruktion des Hilfefonds. Dieser Fonds ist als geschlossener Fonds angelegt und muss, wenn die Gelder verteilt sind, neu aufgelegt werden. Für uns als Betroffene gibt es entsprechend des HIV- Hilfegesetz- HIVHG keinen Anspruch auf Weiterzahlung. Dadurch entsteht bei mir alle Jahre wieder große Unsicherheit darüber, ob die Zahlungen fortgesetzt werden und mit welchem Betrag ich zu rechnen habe.
Ich bin der Meinung, dass die Ratifizierung dieser Gesetze des Fonds zur damaligen Zeit in der Form wohl seine Berechtigung hatte. Aber zum heutigen Zeitpunkt möchte ich, Dank der neuen medizinischen Möglichkeiten darauf hinweisen, dass ein längeres Überleben mit dem HI- Virus möglich ist.
Somit möchte ich, sicher auch im Namen der anderen durch Blutprodukte HIV- Infizierte, die Stiftung und ihre Mitglieder darum bitten, Teile des bestehenden Gesetzestextes zu modifizieren. Denn wir, als unverschuldet infizierte Personen, haben dankenswerterweise diese schlimme Krankheit bisher überlebt. Geben Sie uns einen finanziellen Hintergrund, vor dem wir bis zu unserem Lebensende gesichert leben können.
Liebe Grüße Heiko
(2017)
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